Maus im Haus

Strophe 1
Es war mal eine kleine Maus.
Die fraß sich durch das Haus.
Sie fraß sich durch die Wände und den Boden,
der Herr des Hauses sah’s und packt‘ sie bei den Ohren.
„Was fällt dir ein, mir Löcher in mein Heim zu bohren?“
„Entschuldige, zerstören wollt‘ ich nicht,
aber Türen öffnen kann ich nicht.“
Das Köpfchen schief, die Äuglein Knöpfchen,
so hielt der Mann sie noch am Schöpfchen.
Er konnt‘ dem Blick nicht widerstehen
und ließ sie wieder gehen
und bot ihr Kost und auch Logis.
„Aber bitte sieh
davon ab, Löcher in mein Haus zu schlitzen.“
Von nun an sah er sie täglich durch die Flure flitzen.

Refrain
Ich hab‘ ne Maus im Haus
und sie will nicht mehr raus.
Sie lebt jetzt hier
und wir sind jetzt ein „wir“.
Sie lebt jetzt hier
und wir sind jetzt ein „wir“.

Strophe 2
Bald freundeten sie sich an –
die Maus und dieser Mann.
Sie sprachen viel, er las ihr vor,
stets hatte sie ein off’nes Ohr.
Er deckte jetzt den Tisch für beide,
zur Weihnacht schenkte er Geschmeide.
Allmählich war es beiden klar,
dass das viel mehr als Freundschaft war.
Sie tranken sehr viel Schnaps auf Ex
und hatten danach ganz viel Spaß,
den keiner mehr so schnell vergaß.
Ein bisschen schämte sich der Mann für diese Liebe
und fragte sich, was ihn zu dieser Liebe triebe.
Doch da sie von der Maus erwidert ward,
er sie um ihre Pfote bat.

Refrain
Ich hab‘ ne Maus im Haus
und sie will nicht mehr raus.
Sie lebt jetzt hier
und wir sind jetzt ein „wir“.
Sie lebt jetzt hier
und wir sind jetzt ein „wir“.

Strophe 3
So machten sie es offiziell
und heirateten dann ziemlich schnell.
Er trug sie heim in seiner Hand,
als beide merkten, dass ihre Hochzeit Anstoß fand.
Die Leuten lästerten, empörten sich,
sie störten sich
an diesem neuen Brauch,
ihr Seelenheil schien in Gefahr,
weil jemand andres anders war.
Sie schimpften und sie drohten mit Gewalt
und schüttelten die Hand zur Faust geballt.
Das neue Paar erschrak vor den verbalen Hieben.
Hatten sie doch nur gewagt, sich zu verlieben.
Sie suchten andere wie sie und klärten auf.
Sie stellten fest, von anderen gab es zu Hauf
und das „Normal“ war rar gesät,
weil’s „Das Normal“ ja gar nicht geben tät.

P. S. Noch kein optimales Sing-Metrum, ich übe noch in puncto Liedermaching.

Künstlich

zu Künstlich

 

Kunst ist der Anker der Sensiblen,
Schutzschild der multiplen
Persönlichkeiten,
die die Weiten
der Realität als Unendliches,
nur durch Ausschalten des Kopfes Verständliches
erfassen,
indem sie loslassen
und dabei nachfassen
und den Verstand entlassen,
um ihm als Freelancer einen neuen Job zu geben,
aber im Privaten ohne ihn zu leben.

Kunst ist ein Geländer
zum Festhalten in einer Welt, in der es Blätter ohne Ränder
gibt,
auf denen man endlos schreiben
und im Augenblick bleiben
kann.

Es gibt Papier mit messerscharfen Kanten,
wohin sie Worte zu Texten verbannten,
um den Kopf zu befreien,
um den Gedanken Flügel zu verleihen.

Stifte werden zum letzten Strohhalm
zum Seelenbalsam,
entwickeln ungeheure Kräfte,
zerstören Hefte
mit Minen,
sind Schienen,
die Worte in ihre Bahnen lenken
Ideen Namen schenken,
sich bedenken-
los führen lassen,
Beichtstuhl sind und unsre Sünden erlassen.

Wenn dir der Halt fehlt,
sich dein Körper von innen schält,
du gequält
und gehäutet,
von der Welt ausgebeutet
daliegst,
du deine Tränen nicht besiegst,
sich dein Sein um sich selber windet,
dein Geist deine Seele und den Körper schindet.
Wenn du keine Wärme mehr spüren kannst,
obwohl ein Feuer um dich tanzt.
Wenn dein Dasein zum Inferno wird
und dir ein Elend nach dem anderen gebiert,
weil du die Welt als Ganzes sehen kannst
und du dich vor den Existierenden verschanzt,
die nur aus Köpfen bestehen
und mit ihren Augen nur Fakten sehen.

Dann, bevor du umzukippen drohst,
lost
dir das Schicksal Zettel und Stift aus,
trifft aus
der Hüfte geschossen ins Schwarze
und macht bunt draus.
Noch während ich Blei wetze,
formulieren sich Sätze,
offenbaren mir Schätze
und ich zerfetze
Konventionen,
ohne zu schonen.
Widersetze mich
und setze mich
wieder nieder.
Erschaffe zu Schaffendes,
Entwaffnendes
Material.
Denn das Material
ist in der Überzahl.
Aus dem Stein befreie ich die Skulptur,
ernenne Rohes zur Kultur,
die pur nur
zu genießen ist,
weil gekünstelte Kunst zum Verdrießen ist.

Der Pinsel wird zum Schwert,
das begehrt
von Vielen, nur von wenigen geführt
werden kann.
Von dem, der dann und wann
mit dem Herz‘ in der Hand,
die Wand,
die einer Grenze gleicht,
mit einer geöffneten Tür bestreicht,
um grenzüberschreitend,
durch Flammen reitend
Barrieren zu entweiten
und sich leiten
zu lassen,
um keinen Ausgang zu verpassen.
Aus dem Moloch, dem Sumpf
mit dem Trumpf
in der Hand,
der als Feder erkannt
wird und mit seinen Silben Worte malt
und mit seinem Beitrag die Beiträge zahlt.

Die Kunst, die eint,
ist eine Reise,
die leise
weint,
wenn das Ziel sich zu nähern scheint.
Alle Rückschläge und Plagen,
jedes beinahe Verzagen
im laufenden Prozess
werden vergess-
en, wenn der Gehende pausiert,
inspiziert, korrigiert und schließlich sein Produkt serviert.

Und während er noch präsentiert,
visiert
er schon das nächste Ziel an,
in seinem Projektwahn.
Denn ohne Ziele ist er einsam,
wird lahm,
gefühlsarm,
schleicht und kriecht
und siecht
dürstend nach Erfüllung vor sich hin.
Bis sich in
ihm ein Bild formt,
das entnormt
Gestalt annimmt,
wegtrimmt,
was zu viel ist
und das neue Ziel ist
geboren.

Wenn sein Werk für die Welt zu sehen,
sieht man den Künstler in Flammen aufgehen.
In Wonne und Ehrfurcht genießt er
wie er
verbrennt
und erkennt,
das Vergänglichkeit und Ewigkeit eins sind
und Zeit nur rinnt,
weil wir sie verstreichen lassen,
sie meistens regelrecht verprassen
und uns für verpasste Gelegenheiten hassen.

Doch im Moment des Geborenwerdens,
des sich Formierens, Auflösens und Sterbens,
kannst du auch als Mensch für eine tausendstel Sekunde
die runde
Wahrheit empfinden
und dich mit dir selbst verbinden.

Wenn du das willst,
dann stillst
du diesen Hunger nur,
wenn du die Tortur
selbst durchlebst
und dich hinterher aus deiner eigenen Asche erhebst.

Drum sei dein eigener Schöpfer
und töpfer
dich aus Ton und Klang
male Worte zu Bildern und schreibe Farben zu Gesang.
Folge dem Drang,
selber zu tun,
um so in deiner Mitte zu ruh’n.

 

(Text: Kerstin Annika Künzl; Bild: Joachim Haak)

Netzwerk

Kerstin3.jpg

Zwischen zwei Teilen
verweilen
die Augen und blicken ins Leere.
Wo sonst etwas wäre,
sehen sie bloß,
los-
gelöst von Tatsächlichem
an Sächlichem
vorbei.

Sie finden Anstoß an dem,
was sie seh’n,
weil sie den Blick
einen Tick
vorbeilenken
und dem Eigentlichen wenig Beachtung schenken.

Die Augen schauen
und bauen,
während sie weiterschauen,
ein Bild aus Lücken,
dessen Tücken
sie nicht blicken.

Ein Ganzes aus Fetzen,
Gittern oder Netzen
enthält leere Komponenten,
die fehlenden Kontrahenten
zum anwesenden Set,
das in sich komplett
ist.

Richte ich den Blick auf das, was fehlt,
ist es kein Wunder, dass mich der Anblick quält.

(Text: Kerstin A. Künzl; Foto: Joachim Haak, unter: http://www.fotocommunity.de/photo/kerstin-joachim-haak/40401973/113111387#comment-field-113111387)

Die Raupenpuppe

Lieb und stumm
hängt die verpuppte Raupe in der Gegend rum.
Sie hängt recht starr,
erinnert sich an was sie war,
denkt ganz ohne Heitzefeitz und ohne Drama:

„Ich war ma’…
ne…
Moment!
Was war ich gleich?

Ich war ma‘ was,
das
kroch so rum und fraß
bis es zu guter Letzt vergaß,
was es ma‘ war.

Jetzt häng‘ ich hier kopfüber
und wär‘ dabei viel lieber…

Ja, also, was ich gerne wär‘,
nun, das zu formulier’n fällt mir jetzt gerade schwer.
Hmmm… Ich hab‘ wohl gerne konsumiert,
ganze Sträucher kahlrasiert.
Erst war ich und dann war alles weg.
Nach mir kam ein kahler Fleck.

Ein Sinn dabei?
Ich glaub‘, der war mir einerlei.
Ich bin halt so von Blatt zu Blatt.
Klassisch. Nimmersatt.

Und dann?

Dann habe ich mich kleingemacht.
Viel hab‘ ich mir dabei wohl nicht gedacht.
Ich war schon eh nicht groß.
Ich wusste bloß,
bis hierher und kein Stück mehr.
Voll wie ich war, fühlt‘ ich mich leer.
All der Konsum und so, das hat mir nix getaugt.
Hat mich wohl ausgelaugt?

Ach, ich kann mich kaum entsinnen.
Mein Fokus ging nach innen.
Und da isser nu‘ – liegt auf mir,
bin jetzt hier.

Kann mich nicht fassen,
dabei hab‘ ich mir nur die Fassung gelassen.
Vom Außen her eine Form,
entspreche ich einer Puppen-Norm.
Vom Innen her bin ich formlos in Reinform.

In meiner äuß’ren Schale bricht
meine alte Schale schlicht
in 1.000 Stücke
und mein neues Ich füllt jede Lücke.

Früher kannt‘ ich mich,
wusste zwar nich‘,
wer oder was ich bin,
doch der Sinn
lag in meiner bloßen Existenz.
Dann ging ich in die Abstinenz.

Jetzt fühl‘ ich mich von innen durchgerührt
und vom Leben an der Nas‘ herumgeführt.
Das Alles tut nicht physisch weh,
doch seh‘
ich nicht
das Licht
am Ende
meiner Puppenwände.

Ich kann nicht vor und nicht zurück.
Was ist schon Glück?
Umgeben von engen Rändern,
kann ich die Veränderung nicht ändern.

Ich kapituliere
und verliere
mein altes Wesen komplett.

Reset.

Was ich sein will…?
Meine Gedanken sind still.

Ich kann nicht ändern, dass ich mich änder‘
und sprenge die Ränder“

Sei mal kurz still, bitte.

entsetzlich leise

 

 

entsetzlich leise

Schrei.
Schrei. Mich. Nicht. An.
Du bist so laut.

Mein Körper flüstert leise,
ermahnt mich weise,
zu lauschen,
die Rollen zu tauschen,
in anderen Schuhen zu gehen,
durch des Anderen Augen zu sehen,
auf seine Signale zu hören,
mich nicht an dir zu stören.

Doch du bist so laut.
Entsetzlich LAUT.

Ich kann meine Gefühle kaum hören.
Ich könnte schwören,
du machst das mit Absicht.
Brüllst mir ins Gesicht
und lachst dir dabei in die Faust,
mit der du hinterrücks zuhaust.

Mein Körper will mir was sagen.
Er hat Antworten auf meine Fragen.
Doch du!
Du!
Nie hörst du zu.
Nie bist du still.
Kämpfst, wenn ich nicht kämpfen will.

Was glaubst du, wer du bist,
dass du vergisst,
dass ich der Herrscher in mir bin?
Jetzt hör doch hin!
Ich rede mit dir!
Strebe mit dir
nach Macht über meine Sinne.
Sehe…, dass ich immer öfter gewinne…

So laut…
So laut bist du eigentlich nicht.
Manchmal schon, da höre ich dich fast nicht.

(Bild und 2. Titel: Joachim Haak; Text: Kerstin Annika Künzl)

Neuanfang

Der Blick folgt dem Schritt,
der ungewiss ins Leere tritt.
Weder Ziele noch Visionen
wohnen
hinter den Pupillen,
die mit unerschütterlichem Willen
nur nach vorne schau’n und nicht zurück.

Die Gedanken schweigen
und die Gefühle zeigen
sich vorübergehend nicht.
Treu tut der Körper seine Pflicht.
Das Herz schlug laut, nun schlägt es leise,
doch es pocht auf ganz besond’re Weise.
Es singt von alten Wunden,
um an der eig’nen Liebe zu gesunden.

Es war fast tot
in Zeiten seiner ärgsten Not.
Ein jeder Schlag war Krampf,
ein zäher Überlebenskampf.
Immerfort den Puls befeuernd,
stets seinen eig’nen Wert beteuernd,
fand es Kraft im Glauben,
diesem tauben,
dumpfen Zustand zu entkommen.
Und so pulsierte es beklommen.

Die Angst, das Ganze niemals hinter sich zu lassen,
die Sorge, niemals genug Mut zu fassen,
stolperten auf Schritt und Tritt,
bei jedem Herzschlag mit.
Dunkel war’s und Licht am Ende
des Tunnels schwarzer Wände
sah sie nicht.
Durch Tränen dringt kein Licht.

Bis die Luft, die sie umgibt,
sich mit kühler Frische in die Lungen schiebt,
den Brustkorb dehnt,
und sie sich aus dem Schatten lehnt.
Und die ersten tiefen Atemzüge
sie heben, als ob der Atem selber Hoffnung trüge.
Und das Herz im alten Rhythmus jetzt
vergang‘nen Schmerz durchTanz ersetzt.

(Bild und Titel: Joachim Haak; Text: Kerstin Annika Künzl)

Was machst du? Nichts. Ich lasse das Leben auf mich regnen. Rahel Varnhagen Tagebuch II

Was machst du

 

In diesem Moment, jetzt gerade,
da habe
ich zu tun.
Ruh’n
ohne mein Zutun
ist mir nicht möglich,
fürchte ich.
Tu‘ ich nix,
bin ich fix
wieder in Gedanken.
Und beim Krafttanken
abgelenkt,
eingeschränkt
durch limitierendes,
daseinsnegierendes
Verhalten,
das dem Alten
Bedeutung beimisst,
der Zukunft Flaggen hisst
und nicht sieht, was jetzt ist.

Die Pointe ist bekannt:
Ruht der Verstand,
dann bin ich jetzt,
statt abgehetzt,
dann bin ich hier,
statt außer mir.

(Bild und Titel: Joachim Haak; Text: Kerstin Annika Künzl)

best friend

best-friend

Du hältst mich,
ich halte dich.
Du streckst dich,
ich beuge mich.
Wenn du nimmst, dann gebe ich.
Lebe ich,
dann hebe ich
dich immer wieder auf.
Lauf
fort und ich geh‘ auch.
Brauch‘
dich nicht.
doch will nur mit dir sein.
Allein,
weil du es bist,
ist
hier und jetzt
zuletzt
am Anfang eines Endes.
Wende‘s
so oft es geht.
Steht
mein Wort erstmal,
zahl‘
ich mit meinem Leben.

(Bild und Titel: Joachim Haak; Text: Kerstin Annika Künzl)

Merken

Merken

Gesichtwerden

Die Menschen haben keine Gesichter.
Sie können Henker sein, zu Henkender oder Richter.
Ich weiß es nicht
Kenne sie nicht.
Sehe nur Hüllen,
die die Straßen füllen.
Plötzlich sehe ich einen aus der Masse sich auf mich zu bewegen.
Ein Mensch kommt mir entgegen
und ich sehe ihn kaum.
Er nimmt seinen Raum
ein, vor mir
und fragt: „Wie geht es dir?“
Dabei schaut er mich an aus unbekannten Augen,
sie saugen
sich an meine,
sein Blick heftet sich an mich und bleibt haften.
Ich halte ihm Stand und kann es doch kaum verkraften.
Es geschieht etwas.
Er sieht etwas
und ich sehe es auch.
Ich tauch‘
ein in sein Gesicht, wo vorher keines war
und sehe nun Formen und Normen und Ungereimtheiten,
die die Normen begleiten.
Ich verstehe längst nicht alles,
doch so wie es nun mal so der Fall is‘,
verstecken wir uns hinter dem gesellschaftlichen Protokoll,
das verlangt, dass man sagen soll,
wie das Wetter ist in der Republik,
dass man sich beschwert über Baustellen und Politik.
Es geht um Namen und Zahlen und Qualen der Wahl.
Doch Gepflogenheiten hin oder her, wir starren uns an.
Wir schauen und bauen Vertrauen auf.
Ich komm‘ nich‘ drauf.
Woher kenne ich ihn nur?
Er ist eine Figur
auf einem Schachbrett,
er guckt nett.
Er ist eine verkleidete Seele in einem Fleischanzug,
den er bei seiner Geburt anzog und fortan trug.
Er ist ein Reisender durch die Zeit
und er weiß Bescheid,
dass es Zeit nie gegeben hat und nie geben wird
und dass es nur ein „Jetzt“ gibt,
das den Moment liebt.
Und trotzdem alles vergänglich ist und eine Zukunft hat
und Vernunft hat er abgeschrieben.
Wir beide lieben
das Kindsein, Buntsein, Lautsein, Ichsein.
Er ist ein auf dieser Erde Wandelnder, Wandernder,
seinen Weg Gehender, Verstehender, dass das Leben bereits der Weg ist.
Dass Warten doof ist und für die Schlafenden ist.
Die Schlafenden unter uns, die nicht sehen,
weil sie nicht verstehen,
dass sie die Augen öffnen müssen,
um das Licht zu küssen
mit ihren Blicken,
um im Takt zu ticken
mit dem Herzschlag der Natur.
Er ist reine Liebe, sanft und pur.
Er ist das Böse, das Laster, der gebrochene Schwur.
Er ist Individuum und Projektionsfläche.
Oberflächlich und mit Tiefgang,
rang
er sein Leben lang um Anerkennung.
Bis er endlich einsah,
dass er wertvoll war.
Und so steht er nun hier,
sieht mich an, gehört mir.
Die Augen geöffnet, lässt er mich in sein Inneres blicken.
In meinem Inneren spür‘ ich die Endorphine kicken.
Geflasht von der Wahrheit und der Reinheit
hebe ich ab in Schwerelosigkeit.
Vergesse mich, löse mich auf.
Nehme den Verlust meines Seins in Kauf.
Und während ich gerade am Verschwinden bin,
kullern mir Tränen die Wangen runter bis zum Kinn.
Die Tränen werden zum Fluss,
vom Fluss zum Meer,
sie überrollen mich wie ein zur Schlacht ziehendes Heer.
Sie wüten und metzeln und ersticken mich,
sie entzücken mich und sie verschlingen mich.
Ihn kann ich kaum noch sehen,
er wendet sich zum Gehen.
Ich strecke meine Hände nach ihm aus
rufe „Halt, Stopp“, doch er geht weiter.
Und ein Reiter
aus salzigem Wasser stiebt über mich hinweg.
Reißt mich fort, nimmt mich mit und ich verreck‘
fast.

Jetzt bin ich allein und um mich herum sind nur noch Menschen ohne Gesichter.
Ich schaue und verabscheue und ich bin jetzt ihr Richter.
Alles nur blankpolierte Flächen.
Eine schlafwandelnde Masse von Lemmingen,
die sich Klippen herabstürzen
und sich so ihr Leben verkürzen.

Da kommt plötzlich wieder einer von ihnen auf mich zu.
„Lass mich in Ruh‘“, denk‘ ich leise.
Doch er steht vor mir und schaut und nimmt mich mit auf eine lange Reise.
Er gewährt mir ebenfalls Einblick,
doch er blickt auch zurück.
Und er kann sehen, was in mir ist.
Und ich spüre wie mich seine Seele erkennt und grüßt.
Als sich meine Füße vom Boden heben,
die Arme erneut gebreitet zum Schweben.
Als ich mich zu verlieren drohe, da zieht er mich zurück
und ich erkenne das Glück
in mir.
Sein Gesicht ist glänzend und Licht
und ich sehe ihn nicht.
Ich gucke rein und sehe mich.
Mein Spiegelbild ist es, das sein Gesicht ausfüllt.
Und ich erkenne nun, wie albern es ist,
im Ander’n zu verschwinden,
statt sich selbst zu finden.
Er reicht mir die Hand und er hält mich fest.
Er verspricht, dass er mich niemals mich verlieren lässt.

Findling

 

findling

Ruhig und still.
Unbesiegt
liegt,
wo sie es will,
weit weg, von allem und von allen:
sie.

Sie, die den Frieden in sich trägt,
die auch nach reifen Überlegungen, es nicht erwägt,
sich dort hinab,
ins lebig Menschengrab
zu mischen.
Wo Menschen leben mit den irdischen
Bedürfnissen,
die sie dem wahren Leben erst entrissen.

Still.
Es ruht
mit ruhigem Mut:
sie.

Sie, die hier droben liegend,
sich in ihrer Mitte wiegend,
Trost vor Lärm und Härte findet
und sich ungestört der Last entbindet,
sich zu fügen, nachzuahmen,
während ihre inner‘n Flügel immer mehr erlahmen.

Friedvoll, sacht.
Was schlafend wirkt, ist gerad‘ erwacht:
sie.

Sie, die für den Menschen steht,
der sich nicht an seiner Seel‘ vergeht.
Sie, die nur Sinnbild ist, für jene,
die Ruhe brauchten,
ruhend in sich tauchten
und was sie suchten,
in sich selber fanden.

(Bild und Titel: Joachim Haak; Text: Kerstin Annika Künzl)

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